29.01.2024
Auf eine zeitgeschichtliche Spurensuche über Kroatien hat sich unser CD-Autor Otmar Lahodynsky, langjähriger "profil"-Redakteur und Ehrenpräsident der Vereinigung der Europa-Journalisten (AEJ), gemacht. Anhand von Akten aus dem Staatsarchiv zeichnet er in seinem Buch "Kroatiens Heimkehr nach Europa" den Weg von der Unabhängigkeit bis zum EU-Beitritt mit zahlreichen Anekdoten nach.
Zu Wort kommen politische Zeitzeugen der ersten Stunde bis zum unlängst erfolgten Schengen- und Euro-Beitritt.
Weite Strecken sind der Frage der Anerkennung Kroatiens nach dem Zerfall Jugoslawiens gewidmet. Der damalige Außenminister Alois Mock (ÖVP) rief die Europäische Gemeinschaft (EG) bereits frühzeitig zum Eingreifen auf, was auf Kritik stieß. Demgegenüber überwogen in der SPÖ die Argumente für eine Beibehaltung Jugoslawiens, Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) wandte sich zunächst gegen eine Anerkennung Sloweniens und Kroatiens. "Ich vertrat die Auffassung, dass ein Alleingang Österreichs nichts bringt und uns womöglich niemand nachreitet", schildert der Ex-Kanzler in dem Buch.
In der EG waren vor allem Frankreich und Großbritannien für die Erhaltung Jugoslawiens. Erst der Fall Vukovars und Kriegsverbrechen der jugoslawischen Armee an Zivilisten brachten den Umschwung. Bei einem Außenministerrat am 16./17. Dezember 1991 überzeugte Deutschlands Außenminister Hans-Dietrich Genscher mit Unterstützung von Bundeskanzler Helmut Kohl die EG-Außenminister, Kroatien und Slowenien innerhalb eines Monats anzuerkennen. Österreich legte zeitgleich denselben Termin fest: Am 15. Jänner 1992 folgte die Anerkennung Kroatiens und Sloweniens gemeinsam mit der EG.
Der kroatische Ex-Außenminister Mate Granić erinnert sich in dem Buch Lahodynskys, dass ihm die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher später gesagt habe: "Wenn ich und (der frühere US-Präsident, Anm.) Ronald Reagan 1991 an der Macht gewesen wären, hätten wir Milosević und Belgrad sofort bombardiert, und es hätte keinen Krieg gegeben." Leider habe die Europäische Union lange auf Milosevic gesetzt und völlig falsche Einschätzungen vorgenommen.
Weniger anekdotenreich, aber mit viel Expertise wird in dem Buch der anschließende mühsame Weg Kroatiens in die Europäische Union dargestellt. Hindernisse waren unter anderem die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal und der Grenzstreit mit Slowenien. "Leider hat Kroatien einen sehr viel schwierigeren Weg zurückgelegt als andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union", resümiert Granić. Den Antrag auf Mitgliedschaft hatte Zagreb bereits im Februar 2003 gestellt. Die Verhandlungen begannen aber erst 2005, nachdem Chefanklägerin Carla del Ponte die volle Kooperation mit dem Haager Tribunal bestätigt hatte.
Otmar Lahodynsky: Kroatiens Heimkehr nach Europa. Von der Unabhängigkeit bis zum EU-Beitritt, Verlag Der Apfel 2023, ISBN 978-3-85450-010-0