15.09.2025
Global Democracy Report: Majority of Countries Worsen as Press Freedom Hits 50-Year Low
The Global State of Democracy 2025 - Democracy on the Move
Die weltweite Verfassung der Demokratie hat sich erheblich verschlechtert: In der Mehrzahl der Staaten ist ein Rückgang der demokratischen Leistungsfähigkeit zu verzeichnen, während die Pressefreiheit ihren tiefgreifendsten Einbruch seit einem halben Jahrhundert erlebte. Zu diesem Befund gelangt der aktuelle Bericht des Internationalen Instituts für Demokratie und Wahlhilfe (International IDEA).
Diese Erosion demokratischer Strukturen ist Ausdruck eines umfassenderen globalen Trends, der auf eine zunehmende Gefährdung demokratischer Prinzipien hindeutet. So verzeichneten im Jahr 2024 54 Prozent aller Länder eine Verschlechterung in mindestens einem wesentlichen Indikator demokratischer Qualität – verglichen mit dem Stand von vor fünf Jahren. Die Analyse basiert auf einer Reihe zentraler Messgrößen, darunter die Integrität von Wahlen sowie die Freiheit der Meinungsäußerung, wie die in Stockholm ansässige zwischenstaatliche Organisation mitteilte.
Die Kategorien Rechte, Rechtsstaatlichkeit und Repräsentation – zu denen zentrale Elemente der Demokratie wie Pressefreiheit, Unabhängigkeit der Justiz und glaubwürdige Wahlen zählen – verzeichneten in den vergangenen fünf Jahren durchweg substantielle Rückschritte.
Die nachlassende internationale Unterstützung für demokratische Strukturen – darunter auch Kürzungen der US-amerikanischen Entwicklungshilfe – erschwert zusätzlich die weltweiten Bemühungen, demokratische Institutionen zu festigen und zu stärken.
Das vergangene Jahr stand im Zeichen eines weltweiten Superwahljahres, in dem rund 1,6 Milliarden Menschen zur Wahlurne schritten. Doch dieser beispiellose demokratische Kraftakt fand vor dem Hintergrund eines globalen Rückgangs im zentralen Bereich der Repräsentation statt. So fiel der Indikator für glaubwürdige Wahlen auf den niedrigsten Stand seit drei Jahrzehnten – mit negativen Entwicklungen in etwa einem Fünftel aller untersuchten Länder.
Das Jahr 2024 markierte zudem das neunte Jahr in Folge, in dem mehr Länder Rückschritte als Fortschritte in ihrer demokratischen Gesamtentwicklung verzeichneten – die längste derartige Negativphase seit Beginn der Aufzeichnungen durch International IDEA im Jahr 1975, wie es im Bericht The Global State of Democracy 2025: Democracy on the Move heißt.
Angesichts der Tatsache, dass derzeit rund 304 Millionen Menschen – doppelt so viele wie 1990 – außerhalb ihres Geburtslandes leben, betont der Bericht die Notwendigkeit, bestehende Konzepte von Wählerbeteiligung zu überdenken. Insbesondere das Wahlrecht im Ausland müsse stärker berücksichtigt werden, um die Widerstandsfähigkeit demokratischer Systeme nachhaltig zu sichern.
„Die Demokratie steht vor einem perfekten Sturm aus autokratischer Rückkehr und tiefgreifender Unsicherheit, ausgelöst durch massive soziale und wirtschaftliche Umbrüche“, so Kevin Casas-Zamora, Generalsekretär von International IDEA.
„Um dem entgegenzutreten, müssen Demokratien nicht nur zentrale Pfeiler wie Wahlen und Rechtsstaatlichkeit schützen, sondern ihre Regierungsführung grundlegend reformieren – im Sinne von Gerechtigkeit, Inklusion und geteilter Prosperität. Wie der Bericht zeigt, kann auch die Stärkung der Rechte von Auslandswählerinnen und -wählern einen bedeutenden demokratischen Mehrwert für Herkunfts- wie Aufnahmeländer schaffen.“
Trotz der insgesamt angespannten Lage hebt der Bericht auch positive Entwicklungen hervor:
Afrika verzeichnete einen bedeutenden Anteil an globalem Fortschritt – 24 Prozent der Länder mit demokratischem Zugewinn stammen vom afrikanischen Kontinent. Besonders hervorzuheben sind Botswana und Südafrika, die bei der Qualität ihrer Wahlen deutliche Verbesserungen erzielten.
Trotz Rückschlägen in Westasien stach Jordanien positiv hervor: Die Parlamentswahlen 2024 wurden für ihre gesteigerte Fairness gelobt.
Fidschi und die Malediven erzielten Fortschritte in mehreren Bereichen.
Chile verzeichnete bedeutende Verbesserungen in Bezug auf die Meinungsfreiheit.
Brasilien konnte die Effektivität seines Parlaments und die Unabhängigkeit der Justiz stärken.
Polen schließlich zeigte im Jahr 2024 Fortschritte in allen drei Kernbereichen: Rechte, Rechtsstaatlichkeit und Repräsentation.
Zentrale Erkenntnisse
Insgesamt 94 Staaten – das entspricht 54 Prozent aller untersuchten Länder – verzeichneten im Vergleich zu ihrer eigenen demokratischen Leistungsbilanz vor fünf Jahren einen Rückgang in mindestens einem zentralen Bereich der demokratischen Entwicklung.
Die Pressefreiheit verschlechterte sich in einem Viertel der 173 analysierten Staaten – dies stellt den weitreichendsten Rückgang seit Beginn der Datenerhebung durch International IDEA im Jahr 1975 dar. Auch andere Schlüsselindikatoren wie Meinungsfreiheit, wirtschaftliche Gleichheit, glaubwürdige Wahlen sowie der Zugang zur Justiz zeigten signifikante Verschlechterungen.
Der Niedergang der Pressefreiheit war in allen Weltregionen zu beobachten – betroffen waren unter anderem 15 afrikanische und 15 europäische Staaten, sowie je 6 Länder in den Regionen Amerika sowie Asien und Pazifik.
Auch die Bereiche glaubwürdige Wahlen und Effektivität der Parlamente erfuhren flächendeckende Rückschritte: Erstere in 35 Ländern (20 Prozent), letztere in 32 Staaten (19 Prozent).
Obwohl die Kategorie Repräsentation weiterhin jene mit der höchsten Anzahl an Staaten mit überdurchschnittlichen Werten ist, war ihre globale Gesamtleistung im Jahr 2024 die niedrigste seit 2001. In dieser Kategorie wurden Rückgänge in 21 Ländern registriert – demgegenüber standen lediglich drei Länder mit Verbesserungen, was einem Verhältnis von 7 zu 1 zugunsten der Rückschritte entspricht.
Die schwächste Gesamtperformance zeigte die Kategorie Rechtsstaatlichkeit: 71 Staaten (41 Prozent) fielen hier in den Bereich mit niedriger demokratischer Leistungsfähigkeit. Diese Kategorie verzeichnete zudem die meisten Rückgänge aller untersuchten Bereiche. Im Vergleichszeitraum von 2019 bis 2024 kam es in 32 Staaten (19 Prozent) zu einer messbaren Verschlechterung.
Auch bei der Meinungsfreiheit (22 Prozent der Länder), der wirtschaftlichen Gleichheit (21 Prozent) und dem Zugang zur Justiz (20 Prozent) war jeweils etwa jedes fünfte Land von negativen Entwicklungen betroffen. Den größten Anteil an diesen Rückgängen verzeichneten die Regionen Afrika und Europa.
Demgegenüber wurden in einzelnen Bereichen auch positive Entwicklungen beobachtet – insbesondere im Bereich der Korruptionsbekämpfung. Hier übertraf im Jahr 2024 bereits zum 15. Mal in Folge die Anzahl der Fortschritte die der Rückschritte. Etwa ein Drittel der positiven Entwicklungen entfiel dabei auf den amerikanischen Kontinent.
Angesichts eines dynamischen globalen Umfelds, das von hohen Migrationsbewegungen geprägt ist, betont der Bericht das Potenzial von Auslandswahlen als Mittel zur Stärkung der demokratischen Resilienz – dies sollte stärker in den Fokus politischer Entscheidungsträger rücken.
Die meisten Menschen, die international migrieren, bleiben innerhalb ihres Herkunftskontinents. So leben beispielsweise fast 60 Prozent aller afrikanischen Migrantinnen und Migranten weiterhin auf dem afrikanischen Kontinent.
Wahlen aus dem Ausland bieten Vorteile sowohl für die Herkunftsländer als auch für die Aufnahmestaaten: Sie fördern Zugehörigkeitsgefühl, stärken politische Partizipation und tragen zur Verbreitung demokratischer Normen über nationale Grenzen hinweg bei. Besonders deutlich wird die Bedeutung der Auslandswahl im Fall der Ukraine, wo die politische Teilhabe einer großen Diaspora entscheidend für die Legitimität künftiger Wahlen nach dem Krieg sein dürfte.
Die häufigste Form der Auslandswahl ist die persönliche Stimmabgabe im Konsulat oder Wahllokal – dieses Verfahren wird derzeit von 74 Ländern angewandt. Briefwahlmöglichkeiten im Ausland existieren lediglich in 21 Ländern und sind damit deutlich seltener.
Die Wahlbeteiligung von Auslandswählerinnen und -wählern liegt bei weltweit durchgeführten Wahlen weiterhin relativ niedrig: In 29 Wahlen im Jahr 2024 betrug die durchschnittliche Beteiligung rund 55 Prozent – im Vergleich zu etwa 60 Prozent Wahlbeteiligung innerhalb der Herkunftsländer.
Hintergrund
Der Bericht The Global State of Democracy 2025 bewertet Länder nicht anhand einer Gesamtnote, sondern differenziert nach vier zentralen Kategorien demokratischer Leistungsfähigkeit:
Repräsentation – darunter fallen Elemente wie glaubwürdige Wahlen und eine wirksame parlamentarische Kontrolle.
Rechtsstaatlichkeit – umfasst etwa die Unabhängigkeit der Justiz und das Ausmaß, in dem Menschen frei von politischer Gewalt leben können.
Rechte – hierzu zählen die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit sowie die Versammlungsfreiheit.
Partizipation – bezieht sich auf den Grad der aktiven Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am demokratischen Prozess – sowohl während als auch zwischen Wahlen.
Regionale Entwicklungen
Afrika
Zahlreiche afrikanische Staaten verzeichneten einen Rückschritt: In 23 Ländern – das entspricht 35 Prozent des Kontinents – kam es zu Verschlechterungen in mindestens einem der folgenden Bereiche: glaubwürdige Wahlen, wirksames Parlament oder gewählte Regierung. Besonders ausgeprägt war dieser Trend in Westafrika. In Burkina Faso, Guinea, Mali und Niger haben Übergangsregierungen versprochene Wahlen wiederholt verschoben und demokratische Übergänge erschwert. Auch die Pressefreiheit hat sich in mehr als einem Viertel der Länder der Region verschlechtert. In Sudan hält der Bürgerkrieg weiterhin an – bewaffnete Konfliktparteien errichten dort parallele Verwaltungsstrukturen.
Dennoch ist das Bild nicht einheitlich negativ: Botswana und Südafrika verzeichneten in den letzten fünf Jahren kontinuierliche Fortschritte im Bereich glaubwürdiger Wahlen. In Südafrika verlor der lange dominierende African National Congress (ANC) erstmals seine absolute Mehrheit, was zur Bildung der ersten nationalen Koalitionsregierung in der Geschichte des Landes führte. Botswana wiederum erlebte erstmals seit der Unabhängigkeit 1966 einen Machtwechsel zwischen politischen Parteien.
Westasien
Die Region bleibt überwiegend autoritär geprägt. Ein Lichtblick bildet jedoch Jordanien, das zwischen 2019 und 2024 Fortschritte bei der parlamentarischen Effektivität verzeichnete. Maßgeblich war dabei die Parlamentswahl 2024, bei der politische Parteien ihren Anteil an den Sitzen deutlich ausweiten konnten – zulasten unabhängiger Kandidaten.
Europa
Die demokratische Lage in Europa hat sich in den vergangenen fünf Jahren merklich verschlechtert, insbesondere im Bereich der bürgerlichen Freiheitsrechte und bei glaubwürdigen Wahlen. Osteuropa war für nahezu die Hälfte der insgesamt 63 registrierten Rückschritte verantwortlich, was vor allem auf Repressionen gegenüber der Zivilgesellschaft und politischen Opposition in Ländern wie Belarus, Georgien und Russland zurückzuführen ist.
Ein Drittel der europäischen Staaten erlebte zwischen 2019 und 2024 einen Rückgang der Pressefreiheit – darunter Italien, wo Geheimdienste Spähsoftware gegen Journalistinnen und Aktivistinnen für Migrantenrechte einsetzten, sowie die Slowakei, wo die Schließung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks 2024 als politische Einflussnahme auf die Medienfreiheit verurteilt wurde. Im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat sich die demokratische Lage in Russland weiter verschlechtert, vor allem im Bereich der bürgerlichen Rechte.
Gleichwohl bleibt Europa insgesamt die weltweit leistungsstärkste Region in den Demokratie-Indizes. Die überwältigende Mehrheit der 45 europäischen Staaten weist eine hohe oder mittlere demokratische Leistungsfähigkeit auf.
Amerika
In den vergangenen fünf Jahren verzeichneten mehr Staaten des amerikanischen Kontinents Rückschritte als Fortschritte in mindestens einem demokratischen Bereich. Die meisten dieser 45 Rückschritte entfielen auf die Kategorie Repräsentation. Die größten Rückschläge in dieser Hinsicht traten in Zusammenhang mit demokratischem Rückbau oder staatlichem Zerfall auf – insbesondere in El Salvador, Haiti und Nicaragua.
El Salvador und Nicaragua waren zudem für zwei der drei größten Einbrüche bei der Pressefreiheit in der Region verantwortlich. Auch in Peru wurde die Pressefreiheit geschwächt, unter anderem durch anhaltende Gewalt und Einschüchterung gegenüber Journalist*innen.
Trotz dieser Entwicklungen befinden sich die meisten Staaten Amerikas nach wie vor im mittleren Leistungsbereich demokratischer Bewertung.
Asien und der Pazifikraum
In den meisten Ländern Asiens und des Pazifikraums kam es in den letzten fünf Jahren entweder zu geringen Rückgängen oder zur Stagnation. Die häufigsten Verschlechterungen betrafen die Bereiche glaubwürdige Wahlen und Zugang zur Justiz. Letzterer verschlechterte sich unter anderem in Afghanistan, Bhutan, Kambodscha, Indien, Indonesien, Kasachstan, Myanmar, Südkorea und Tadschikistan.
Einzige Ausnahme mit weitreichenden Verbesserungen: Fidschi.
Allerdings ist der negative Trend nicht auf Staaten mit ohnehin schwacher demokratischer Basis wie Afghanistan und Myanmar beschränkt: Auch Länder mit mittlerer demokratischer Leistung, etwa Kirgisistan, verzeichnen in mehreren Indikatoren spürbare Rückschritte.
Nichtsdestotrotz gehören viele Staaten in Ozeanien und dem pazifischen Raum weiterhin zu den hoch- oder mittelperformanten Demokratien.
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Fotos: International IDEA
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