03.11.2025
Neue kartografische "Geburtsurkunde" Amerikas entdeckt
Mutmaßlich älteste Weltkarte aus 1508 von Wiener Professor in New York aufgespürt
Der in Österreich lebende Wissenschafter, Prof. Stefaan Missinne, präsentierte jüngst in Wien die "älteste kartografische 'Geburtsurkunde' Amerikas". Laut seinen Recherchen stammt eine in der New Yorker Public Library lagernde und kaum beachtete französische Weltkarte von etwa 1508 und ist damit um mindestens acht Jahre älter als die "Waldseemüller"-Karte, die bisher als älteste Darstellung des Kontinents Amerika galt.
Die aus einem Holzschnitt angefertigte "Waldseemüller-Karte“ wurde laut mehreren Gutachten offenbar erst 1516 gedruckt.
Der Belgier Missinne, der auch Mitglied der britischen "Royal Geographic Society" ist, spricht von einem "Durchbruch" bei der Suche nach der ersten Weltkarte, die den 1492 von Christoph Columbus entdeckten Kontinent mit America benennt. "Die in den USA bis jetzt als Geburtsurkunde Amerikas präsentierte 'Waldseemüller-Karte' ist gemäß Wasserzeichen und einem deutschen Gedicht aus 1515 auf der Rückseite der Karte ein Nachdruck auf wiederverwendetem Papier aus der Zeit nach 1516."
Missinne stieß nach jahrelangen weltweiten Forschungen in der "Public Library" in New York auf die Karte des französischen Kartografen Louis Boulangier, die dieser in seiner südfranzösischen Heimatstadt Albi um 1508 angefertigt hat.
Auf 12 Streifen hat Boulengier die gesamte Weltkugel dargestellt. "America" erscheint als "neu entdeckt" - lateinisch "noviter reperta"- ganz im Osten in der Nähe Japans, da der Pazifik noch unbekannt war, als zwickelähnliche Fläche mit vielen unbekannten Inseln umgeben.
Missinne präsentierte seine Entdeckung am vergangenen Donnerstagabend bei einem Vortrag auf Einladung der Österreichischen Landesverteidigungsakademie (LVAk) in Wien. Die von ihm vergrößerte Karte wurde dabei von französischen und US-amerikanischen Militärattachés vor Diplomaten aus Österreich, dem Vatikan, der Schweiz, Portugal, Spanien, Polen, Norwegen, Kroatien und der Türkei feierlich enthüllt.
"Mein Fund des verborgenen Schatzes ist auch ein Beitrag zum nächstes Jahr gefeierten 250. Jahrestag der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung aus 1776. Amerika hat jetzt eine neue kartografische Geburtsurkunde." Damit ist die bisherige aus Deutschland stammende und 1901 von einem Priester entdeckte "Waldseemüller-Karte" als älteste Darstellung Amerikas gewissermaßen entthront worden.
Die frühere deutsche Kanzlerin Angela Merkel übergab 2007 bei einem Besuch in Washington dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush das einzige bekannte Exemplar, ein Nachdruck dieser Karte aus dem Jahr 1516. In der Library of Congress in Washington DC wird sie jährlich von zwei Millionen Besuchern besichtigt.
Der amtierende US-Präsident Donald Trump wird mit der älteren Karte des Franzosen Boulengier -gedruckt in Lyon - vermutlich wenig Freude haben. Denn der amerikanische Kontinent ist darauf nur sehr klein dargestellt. Zudem fehlt das von ihm beanspruchte Grönland komplett.
Text: Otmar Lahodynsky
Fotos: BMLV/Christoph Zwierschitz